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Das Verhältnis zwischen Deutschen und Russen – eine endlose Geschichte. Stereotype und Fazit (6)

Stereotype – Wie sehen die Russen die Deutschen

Die Stereotypen , welche sich im Laufe der Zeit gebildet haben, beruhen auf dem Gesehenen. Die Russen haben die Deutschen Jahrhunderte lang als Siedler oder als Staatsdiener am Zarenhof kennengelernt. Wenn man sich nun vor Augen führt, welche Menschen als Siedler ins Ausland gehen um einen Neuanfang zu machen, dann sind das vor allem Leute mit Unternehmergeist. Denen war das Umfeld in Deutschland zu eng. Sie konnten keinen Boden zur Bewirtschaftung oder keine Grundlage für ihr Handwerk erwerben. Im kleinen Deutschland waren längst alle Pfründe zwischen Adel und Kirche verteilt. In Russlands endlosen Weiten war das anders.

Also kamen fleißige Leute und bauten sich etwas auf.

Daher stammen die ersten Stereotype. Die Russen halten die Deutschen alle für extrem fleißig und gründlich. Das sind Eigenschaften, welche Leute mit sich bringen, die auf dem freien Feld etwas aufbauen wollen und das auch tun. Das sind Fähigkeiten von Handwerkern, die gewillt sind etwas zu schaffen.

Ähnlich steht es mit den Beamten am Zarenhof und in Staatsdiensten. Das waren alles Menschen mit hohem Bildungsstand. Draus ergibt sich das nächste Stereotyp der Russen über die Deutschen – die Deutschen sind ein Kulturvolk. Alles wird klug, gediegen und ausgewogen angegangen. Die Deutschen sind sehr belesen.

Bis heute halten die Russen die Deutschen für eine Nation von Ingenieuren und Wissenschaftlern. In gewisser Weise mag das auch stimmen. Zurückzuführen ist das auf die Tradition der deutschen Handwerker und den Mythos vom unverwüstlichen Mercedes-Benz Auto als Zeichen höchster deutscher Qualität.

Ein weiteres Stereotyp basiert auf der Aussage, dass die Deutschen ein Volk der Dichter und Denker sei. Hier wird Bezug auf die Klassiker genommen. Jeder Russe kennt Goethe, Schiller, Mann, Beethoven, Bach, Brahms… Selbst zu Zeiten der Sowjetunion wurden die Deutschen wegen der Rolle von Marx und Engels in der Weltgeschichte verehrt.

In der Moderne kommen weitere Aspekte hinzu. Diese haben damit zu tun, wie sich die Deutschen bewegen, benehmen und gegeben, wenn sie in Russland sind. So ist für Russen das „Fischen“ und das „Jagen“ selbstverständliche Dinge. Für Deutsche sind diese Dinge mit Regeln und Verboten belegt und die Deutschen sind meist recht irritiert, über die Freiheiten, welche die Russen diesbezüglich genießen. Die Russen sehen dann die Begeisterung der Deutschen zum Beispiel beim Angeln in solchen Flüssen wie der Wolga… und amüsieren sich darüber, wie die Deutschen an diese Dinge herangehen. Hier hat sich ein Bild ergeben, in dem die Russen die Deutschen als zu regel verliebt, zu gesetzestreu, zu umständlich, aber liebenswert sehen.

Und so sehen die Russen die Deutschen bis heute… Ob das heute alles noch so stimmt, steht auf einem anderen Blatt.

Leider gibt es auf russischer Seite nicht nur positive Ansichten über die Deutschen. Aus persönlicher Erfahrung kann ich erzählen, dass ich in einem russischen Ort von einer alten Frau mit Steinen beworfen wurde. Damals war ich gerade einmal 13 Jahre alt. Aber ich war der Feind! Ich habe das in meinem russischen Teil der Familie erzählt und die haben mir dann erklärt, dass die alte Frau drei Söhne und ihren Mann in Zweiten Weltkrieg verloren hat. So habe ich das erste Mal bewusst am eigenen Leibe erfahren, wie groß die Ablehnung mancher Russen gegen die Deutschen ist… Heute kann ich das verstehen. Den Völkermord, den die Deutschen an den Russen im Zweiten Weltkrieg begangen haben, hat sich tief in das Gedächtnis der Menschen eingeprägt. Entsprechend gibt es auch Ressentiments gegen die Deutschen – bis heute. Und wir Deutschen sind gerade dabei genau diese Ressentiments zu bedienen, indem wir darüber schwadronieren wieder Wehrmachtssoldaten in die Ukraine, die Region mit den schrecklichsten Verbrechen an den Russen, zu schicken.

Die Russen haben den Deutschen zum Beispiel auch die Blockade Leningrads mit über einer Million verhungerter Menschen nicht vergessen. Die Deutschen gelten bei den Russen als zu obrigkeitshörig und zu Befehls-versessen. Die Deutschen werden als zu funktional gesehen und ihnen wird nachgesagt zu wenig emotional und empathisch zu sein. Ja, die Deutschen gelten als sehr gründlich und pragmatisch, was an sich nicht schlecht ist, dabei vergessen sie aber zu oft die Menschlichkeit.

Etwas weniger dramatisch in diesem Sinne ist die Einstellung der russischen Männer zu den deutschen Frauen. Diese werden als zu wenig weiblich, nicht schön und ungepflegt empfunden. Leider kann ich nicht umhin dem in gewisser Weise zuzustimmen. Ich hatte das Glück (oder das Pech) den direkten Vergleich zwischen den Studentinnen der Berliner Technischen Universität und der Agrar-Universität in Nowosibirsk zu haben. Die zukünftigen deutschen Ingenieurinnen, Ökonominnen und Wissenschaftlerinnen liefen im Vergleich zu den zukünftigen Zootechnikerinnen, Mechanisatorinnen den Landwirtschaftsspezialistinnen herum, wie die Abreißkalender.

Auf der einen Seite Birkenstock, Sackleinen, Ringe unter den Augen, selbst geschnittene Haare – auf der anderen Seite Hosenanzüge, High Heels, Miniröcke mit langen Beinen, gestyltes Haar und gut (zugegeben – manchmal zu gut) geschminkte Gesichter.

Ein Russe hat mal zu mir gesagt: „Naja, die Deutschen haben ihre schönen Frauen alle im Mittelalter bei der Hexenverfolgung verbrannt. Nun haben sie so einen miesen Gen-Pool“.

Die Russen verstehen die Deutschen nicht in dem was diese tun. Ich wurde gefragt, warum die Deutschen sich so von den Amerikanern behandeln lassen und warum die Deutschen so dumm sind sich von ihrer Regierung so manipulieren zu lassen. Sie verstehen überhaupt nicht, wieso die Deutschen nicht verstehen wollen, dass es für Deutsche und Russen das Beste wäre zusammenzuarbeiten und genau das Gegenteil tun. Deutsche Politik stößt in Russland auf tiefstes Unverständnis. Die Deutschen werden als „dem Führer hörig“ empfunden.

Bestimmte Dinge sind leider dabei nicht von der Hand zu weisen…

Aber die Deutschen hatten leider auch immer ein Problem mit Selbstreflektion.

Fazit

Insgesamt stelle ich leider fest, dass es ein Missverhältnis zwischen den Ansichten der Russen den Deutschen gegenüber und umgekehrt gibt.

Noch eine persönliche Geschichte… Ich habe einen Teil meiner Kindheit in Leningrad verbracht. Ich war das einzige deutsche Kind auf unserem Hof. Selbstverständlich wurde Krieg gespielt und ich war der „Fritz“, musste „Heil Hitler“ grölen und wurde erschossen… Ich konnte so effektvoll sterben, wie kein anderer.

Aber nach dem Spiel haben wir zusammengesessen, unsere Kopeken zusammengeworfen und haben Eis geholt und alles geteilt. Wenn von meinen Spielgefährten einer krank war, besuchten wir ihn und wenn ich zu Hause war, bekam ich Besuch…

Zurück in Deutschland wurde ich von Gleichaltrigen als „Russe“ beschimpft und zusammengeschlagen…

Und dieses Missverhältnis beschäftigt mich bis heute – noch über 40 Jahre später. Wie kommt es, das die Russen den Deutschen alles bereit sind zu vergeben – alles Leid, was die Deutschen über Russland gebracht haben, 27 Millionen Tote – alles vergeben und vergessen… zumindest von den Meisten. Man ist bereit den Deutschen immer wieder eine Chance zu geben … und werden von den Deutschen eins ums andere Mal dafür angespuckt.

Die Deutschen, die von den Russen nie etwas Negatives erfahren haben, außer die selbst verschuldete Katastrophe des Zweiten Weltkrieges, hassen die Russen bis aufs Blut. Wo kommt das her? Sind das Nazi-Gene? Ein Nazi-Mem, dass immer noch in den Deutschen weitergegeben wird?

Und das ist keine Frage des Alters oder der Bildung. Ich habe mit Deutschen Kollegen über die Ukraine, die Gründe, die Geschichte diskutiert. Alle meine Argumente wurden angenommen und für valide erklärt. Und trotzdem sagte zum Schluss der Diskussion ein netter Kollege mit Hochschulabschluss wörtlich: „Egal, trotzdem hasse ich die Russen!“.

Ich weiß nicht, was geschehen muss, damit dieses Missverhältnis einmal verschwindet.

Ich weiß nicht, wann es dazu kommt, dass die Russen und die Deutschen sich gegenseitig pragmatisch und ohne falsche Stereotype sehen können.

Ich hoffe nur, dass ich das noch erleben darf…

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